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Fruchtbarkeitsstörungen beim Mann

Bei etwa der Hälfte aller ungewollt kinderlosen Paare liegt die Ursache für das Fruchtbarkeitsproblem allein oder zum Teil beim Mann. Häufig wird dies erst durch die Untersuchung einer Samenprobe im Labor entdeckt.

© BZgA/Espen Eichhöfer

Viele unterschiedliche Faktoren können die männliche Zeugungsfähigkeit einschränken - bis hin zur Unfruchtbarkeit (Infertilität). Oft bleiben die genauen Ursachen jedoch im Dunkeln. Teils, weil der Ablauf der Samenzellreifung, des Transports der Spermien zur Eizelle und des komplexen Befruchtungsvorgangs immer noch nicht in allen Einzelheiten bekannt ist. Teils, weil auch beim Mann so viele hormonelle und enzymatische Vorgänge ineinandergreifen müssen, dass oft nicht zu sagen ist, an welcher Stelle genau der Reifungs- oder Befruchtungsprozess gestört ist. Daher kann es passieren, dass selbst bei einem unauffälligen Ergebnis eines Samentests (Spermiogramm) die Spermien nicht ohne medizinische Hilfe befruchtungsfähig sind.

Störungen der Samenzellbildung

Die häufigste männliche Fruchtbarkeitsstörung besteht darin, dass nicht genügend intakte und gut bewegliche Spermien produziert werden. Als Richtwert gilt eine Gesamtzahl von mindestens 39 Millionen Spermien in der Samenflüssigkeit (Ejakulat) (oder 15 Millionen pro Milliliter), wovon wenigstens vier Prozent normal geformt und mindestens 32 Prozent gut beweglich sein sollten.

Ursache für die Störung kann ein früherer oder aktueller Hodenhochstand sein (Leisten- oder Gleithoden etc.). Dabei befinden sich die Hoden nicht komplett oder nicht beständig im Hodensack, wie es für eine ungestörte Spermienproduktion erforderlich ist. Die vermutlich genetisch mitbedingten Ursachen eines Hodenhochstandes sind noch nicht eindeutig geklärt. Der Fehlstand schädigt die Hoden auf Dauer, da sie dadurch zu warm sind und möglicherweise auch schlechter durchblutet werden. In der Folge produzieren sie zu wenige Spermien.

Auch direkte Schädigungen des Hodengewebes können die Spermienproduktion nachhaltig beeinträchtigen: Dazu können frühere oder akute Infektionen der Hoden oder Nebenhoden (Orchitis/ Epididymitis) führen, zu denen auch eine Mumpsorchitis in der Kindheit zählt. Schaden können auch Hodenverletzungen etwa durch Sport oder eine Hodenverdrehung (Hodentorsion). Nicht zuletzt stehen Varikozelen (verdickte Venen meist in der linken Hodensackhälfte) im Verdacht, die Spermienproduktion zu stören.

Hodentumoren sind insgesamt selten, gehören aber zu den häufigsten männlichen Krebserkrankungen in der Altersgruppe zwischen 20 und 40 Jahren. Unter Männern mit einer festgestellten Fruchtbarkeitsstörung treten Hodentumoren zudem deutlich häufiger auf. Die Fruchtbarkeitsstörung wird deshalb auch als ein Risikofaktor für eine Tumorerkrankung des Hodens angesehen.

Einen nachweislich schädlichen Einfluss hat das Rauchen – sowohl auf die Produktion als auch auf die Befruchtungsfähigkeit von Spermien. Wegen vermehrter DNA-Schäden der Spermien verschlechtern sich bei Rauchern außerdem die Erfolgschancen einer künstlichen Befruchtung.

Störungen des Spermientransports

Bei manchen Männern werden zwar ausreichend Spermien gebildet. Aufgrund einer Störung des Spermientransports – die Samenwege sind hier teilweise oder ganz verschlossen oder nicht vollständig angelegt – können sie sich aber nicht mit der Samenzellflüssigkeit vermischen. In diesen Fällen finden sich im Ejakulat dann zu wenige oder keine intakten Spermien (Obstruktive Azoospermie).

Die Ursache liegt häufig in einer Störung der Nebenhodenfunktion, in einer Vernarbung der Samenleiter - zum Beispiel durch die Operation eines Leistenbruchs oder gewollt durch eine Sterilisation (Vasektomie) - oder in einer angeborenen Fehlbildung. Auch unbemerkte Infektionen (etwa durch Chlamydien) können zu einem Verschluss der Samenwege führen.

Verschlossene Samenwege lassen sich in vielen Fällen mikrochirurgisch öffnen, sodass eine Zeugung auf natürlichem Weg wieder möglich ist. Können die Samenwege nicht passierbar gemacht werden, besteht die Möglichkeit der Testikulären Spermienextraktion (TESE) oder der Mikrochirurgischen Epididymalen Spermienaspiration (MESA). Dabei werden den Hoden oder den Nebenhoden Spermien entnommen, eingefroren und später für die künstliche Befruchtung aufbereitet.

Unzureichender Harnblasenverschluss

Bei einigen Männern funktioniert der muskuläre Verschluss zwischen Blase und Prostata nicht ausreichend, wodurch es zu einer sogenannten retrograden (rückwärtsgewandten) Ejakulation kommt. Dabei wird der Samen bei einem Orgasmus nicht durch den Penis nach draußen befördert, sondern in die Blase abgegeben und später mit dem Urin ausgeschieden.

Mögliche Ursachen für einen unzureichenden Harnblasenverschluss sind Operationen an einer vergrößerten Prostata, ein Diabetes mellitus oder Nervenschädigungen. Kann die retrograde Ejakulation selbst nicht behandelt werden, lassen sich unter Umständen mit speziellen Verfahren die Spermien aus dem Urin herausfiltern.

Antikörper-Bildung

Bei der immunologischen Sterilität behandelt das Immunsystem des Mannes die eigenen Samenzellen als Fremdkörper. Die Folge ist eine Abwehrreaktion gegen die eigenen Körperzellen (Autoimmunreaktion). Dabei greift das Immunsystem die Samenzellen an, indem es im Blut Abwehrstoffe (Antikörper) gegen sie bildet. Diese Antikörper heften sich an die Spermien an und können sie dadurch sowohl in ihrer Beweglichkeit als auch in ihrer Fähigkeit beeinträchtigen, die Eizelle zu erreichen und ihre Hülle zu durchdringen.

In der Reproduktionsmedizin ist umstritten, ob die Antikörperbildung allein ausreicht, die Fruchtbarkeit entscheidend einzuschränken. Man muss allerdings davon ausgehen, dass eine ernsthafte Beeinträchtigung wahrscheinlich ist, wenn mehr als 50 % der Spermien mit Antikörpern behaftet sind.

Unklare Ursachen

Unklar ist die Bedeutung von Umwelteinflüssen, beispielsweise durch Pestizide, chlororganische Verbindungen und andere chemische Stoffe, Schwermetalle, radioaktive Strahlung oder Hitze. Obwohl die schädigende Wirkung auf den menschlichen Körper ab einem bestimmten Maß unbestritten ist, lässt sich für den Einzelnen nur selten ein eindeutiger Einfluss auf die Fruchtbarkeit nachweisen. Gleichwohl sollten die Bedingungen am Wohnort und Arbeitsplatz bei der Suche nach fruchtbarkeitsstörenden Einflüssen mitbedacht werden.

Daneben gibt es eine Reihe von hormonellen und genetischen Störungen, die in vielfältiger Weise die männliche Fruchtbarkeit beeinträchtigen können. Außerdem kann die Zeugungsfähigkeit durch Ejakulationsstörungen und Erektionsprobleme behindert werden.

Nicht zuletzt können Allgemeinerkrankungen von Nieren, Herz und Leber, Stoffwechselstörungen sowie Alkohol-, Drogen- und Anabolikamissbrauch in den Hormonhaushalt eingreifen und fruchtbarkeitsschädigende Prozesse in Gang setzen.

In vielen Fällen (die Schätzungen reichen von 20 bis 35 Prozent) lässt sich eine verminderte Fruchtbarkeit zwar feststellen, nicht aber ihre genaue Ursache. Dann spricht man von der sogenannten idiopathischen Infertilität. Hinter dieser Sammeldiagnose, die übrig bleibt, wenn alle bekannten möglichen Ursachen ausgeschlossen wurden, verbirgt sich eine Vielzahl von bisher nicht identifizierbaren Störungen der Steuerung der Spermienproduktion und des Befruchtungsvorgangs.

Behandlung ist oft möglich

Auf die Ursachen einer Fruchtbarkeitsstörung hat man zum Zeitpunkt der Diagnose oft keinen Einfluss mehr. Das Problem geht häufig auf eine frühe Entwicklungsstörung zurück (etwa einen Hodenhochstand) oder auf eine (unbemerkte) vergangene Infektion der Hoden oder Samenwege.

Dennoch kann die Medizin häufig Hilfe anbieten. Grundsätzlich gilt es, mögliche Ursachen für die Fruchtbarkeitsstörung zu erkennen und wenn möglich zu behandeln. Wird zum Beispiel eine gestörte hormonelle Steuerung der Hodenfunktion diagnostiziert, kann man oft die fehlenden Hormone ersetzen oder eine überschießende Produktion von Hormonen korrigieren.

Lässt sich die Fruchtbarkeit nicht verbessern oder sind die Ursachen der Fruchtbarkeitsstörung nicht behandelbar, besteht die Möglichkeit, Ei- und Samenzellen den Weg zueinander zu erleichtern. Das geschieht mithilfe von Techniken der künstlichen Befruchtung (ART). Sie beseitigen zwar nicht die Ursache einer Fruchtbarkeitsstörung, helfen jedoch, die Auswirkungen einer Störung auf die Befruchtungsfähigkeit der Spermien zu umgehen. Welches Verfahren geeignet ist, hängt sowohl von den Befunden des Mannes als auch der Frau ab. Die Entscheidung betrifft immer das Paar als Ganzes.

Zu den Verfahren der ART gehören die Intrauterine Insemination (IUI), die In-vitro-Fertilisation (IVF) und vor allem die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI).

Stand: 22.02.2017
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