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Stille Geburt: Wenn die Geburt zugleich ein Abschied ist

Für Eltern, die vom Verlust ihres Kindes erfahren, ist zunächst oft unvorstellbar, wie sie die den unüberschaubare, schwere Weg bewältigen können, der nun vor ihnen liegt. Wenn sie sich Zeit nehmen können, werden Sie Schritt für Schritt wieder handlungsfähiger.

Sich Zeit nehmen

© BZgA/HN/Schüten

Haben die Eltern erfahren, dass ihr Kind bereits verstorben ist oder bald sterben wird, ist der Wunsch nach einer „schnellen Befreiung“ aus der belastenden Situation oft groß. Eine sofortige Einleitung der Geburt oder ein Kaiserschnitt erscheinen ihnen dann vielleicht als einzig denkbare Lösung. Es ist jedoch ratsam, nichts zu überstürzen, die Entscheidung sorgfältig zu überdenken und mit der Hebamme, der Ärztin oder dem Arzt abzuwägen.
Eine allzu rasch vollzogene Trennung vom Kind kann Eltern das innerliche Abschiednehmen erschweren und sie später belasten. Dem natürlichen Gang der Dinge zu folgen und die Geburt abzuwarten, macht es ihnen unter Umständen leichter, mit dem Ereignis auch seelisch Schritt zu halten und ihrer Trauer Raum zu geben. Vielleicht bleibt noch Zeit, sich in Ruhe auf die Geburt und den Abschied einzustimmen. Das Paar kann darüber nachdenken, wie es diese besondere Aufgabe und Herausforderung bewältigen möchte und was ihm am besten dabei helfen könnte. 
Auch eine Geburt, die zugleich einen Abschied bedeutet, kann ein tiefes und unvergessliches Erlebnis sein.

Die Geburt einleiten oder abwarten?

Normalerweise ist es aus medizinischer Sicht möglich, den natürlichen Beginn der Wehen abzuwarten, auch wenn das Ungeborene nicht mehr lebt. Das kann mehrere Tage, je nach Reifegrad der Schwangerschaft selten auch einmal zwei Wochen oder länger dauern. Während dieser Zeit ist eine intensive Begleitung durch die Hebamme, die Ärztin oder den Arzt wichtig. Solange die begleitenden Untersuchungen unauffällig bleiben und keine besonderen Anzeichen wie Blutungen vorliegen, bedeutet das Abwarten keine gesundheitliche Gefährdung für die Mutter.

Auch vom verstorbenen Kind geht keine Gefahr für die Schwangere aus. Die verbreitete Sorge vor „Leichengift“ ist unbegründet. Solange die Fruchthülle intakt ist, sind Kind und Fruchtwasser keimfrei. Auch wenn das tote Kind zur Welt gekommen ist, enthält sein Gewebe keine krank machenden Bakterien – es sei denn, es hatte eine schwere Infektion. Wenn nach längerem Abwartens (ab drei bis vier Wochen) die Wehen nicht von selbst in Gang kommen, sollte sichergestellt werden, dass es nicht zu einer Beeinträchtigung der Blutgerinnung bei der Mutter kommt.

Die Geburtsvorgänge und die Bildung der zugehörigen Hormone  und körpereigenen schmerzlindernden Stoffe werden vom mütterlichen Gehirn gesteuert. Dabei ist das Nervensystem stets eng mit den seelischen Vorgängen verknüpft. Körper und Seele arbeiten Hand in Hand: Die körperlichen Vorgänge während der Geburt können es der Seele erleichtern, Abschied zu nehmen. 

Andere Frauen und Paare entscheiden sich dennoch für eine medikamentöse Einleitung. Wenn die Geburt sofort nach der traurigen Diagnose medikamentös eingeleitet wird, treffen die künstlichen Wehenhormone jedoch oft auf eine Gebärmutter, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht reif ist für die Geburt. In dieser Zeit ist der Körper noch darauf eingestellt, das Ungeborene zu halten und zu schützen. Es ist daher nicht immer leicht, durch künstliche Hormone bald geburtswirksame Wehen hervorzurufen. Es kann trotz spürbarer Wehen manchmal bis zu mehreren Tagen dauern, bis der Muttermund bereit ist, sich zu öffnen. Manchmal ist auch zu einem späteren Zeitpunkt ein erneuter Versuch nötig.

Kann die „Stille Geburt“ möglichst schmerzfrei ablaufen?

Wenn bereits der seelische Schmerz übergroß ist, ist der Wunsch nach einer möglichst schmerzfreien Geburt oft besonders dringlich. In der Klinik ist für eine ausreichende Schmerzlinderung gesorgt, meist wird eine starke örtliche Betäubung (Periduralanästhesie)  angeboten. Möchte die Gebärende dies nicht, kann sie zu jedem Zeitpunkt der Geburt auch andere Formen der Schmerzlinderung verlangen.

Wenn die Geburt in einer geborgenen und harmonischen Atmosphäre stattfindet und die Frau vertraute Menschen und ein einfühlsames Geburtshilfeteam an ihrer Seite hat, ist es vielleicht auch möglich, die Geburt ohne Schmerzmittel zu bewältigen. Die Wehen und den Geburtsschmerz körperlich zu spüren, kann es der Seele erleichtern, Abschied zu nehmen.

Warum wird nicht immer ein Kaiserschnitt gemacht, wenn das Kind tot ist?

Auch wenn der Kaiserschnitt heute bedeutend sicherer geworden ist als früher, birgt er für die Mutter ein höheres Risiko als eine natürliche Geburt. Auch die möglichen Folgen für eine erneute Schwangerschaft und Geburt sind nicht zu unterschätzen.  

Die Narkose während der Operation macht die Geburt selbst zwar schmerzfrei, in den Tagen danach ist jedoch infolge des Bauchschnitts mit Wundschmerzen zu rechnen. Zum seelischen Schmerz über den Verlust des Kindes kommen anschließend also noch körperliche Beeinträchtigungen durch den Eingriff hinzu. 

Das Kind mit jeder Wehe Schritt für Schritt aus eigener Kraft zur Welt zu bringen, macht den Abschied für viele Mütter „erfahrbar“. Es kann die Eltern auch bei allem Abschiedsschmerz mit Freude und Stolz erfüllen, diese Geburt zu bewältigen und das Kind aktiv in Empfang zu nehmen.  

Ist eine Hausgeburt möglich?

Eine Geburt zu Hause oder im Geburtshaus ist im Allgemeinen möglich, sofern sie professionell begleitet wird und keine speziellen gesundheitlichen Einschränkungen vorliegen. 

Eine kontinuierliche Begleitung durch eine Hebamme eröffnet häufig einen größeren Spielraum, auf persönliche Wünsche des Paares einzugehen. Bei einer Hausgeburt ist es meist auch eher möglich, das Baby gemeinsam mit den Geschwisterkindern und anderen nahe stehenden Personen zu begrüßen und zu verabschieden. Die Intimität in den eigenen vier Wänden hilft manchen Familien, diese besondere Geburt und den Abschied vom Kind so persönlich wie möglich zu gestalten und zu bewältigen. 

Wenn das Baby lebend geboren wird, aber nur eine kurze Lebensspanne hat, ist es wichtig, dass die Hebamme, die (Kinder-)Ärztin oder der Arzt darauf eingestellt sind, es beim Sterben zu begleiten. Die Geborgenheit und Liebe der Eltern ist für das sterbende Kind jedoch die wichtigste Hilfe.

Den Abschied bewusst gestalten

Eine „stille Geburt“ und der frühe Abschied von ihrem Kind werden für die meisten Eltern unvergessen bleiben. Viele fühlen sich dem toten Kind noch lange Zeit verbunden. Den Abschied bewusst zu gestalten, kann helfen, den Verlust begreifbar zu machen und neuen Mut zu fassen.  Lassen die medizinischen Umstände ausreichend Zeit, können die Eltern nachdenken, was sie sich für diese besondere Geburt wünschen, und dies mit ihrer Hebamme und ihrem Arzt oder ihrer Ärztin besprechen. Sie können entscheiden, wo das Baby geboren werden soll und wen sie bei der Geburt dabei haben möchten. Wenn schon sicher ist, dass das Baby tot geboren wird oder unmittelbar nach der Geburt sterben wird, kann das Paar überlegen, ob es ein Abschiedsritual vorbereiten möchte.

Das sterbende Baby begleiten

Wenn die Eltern erfahren haben, dass ihr Baby außerhalb des Mutterleibs nur sehr geringe Lebensaussichten hat, können sie sich darauf vorbereiten, sein kurzes Leben mit ihm zu teilen. Diese wenigen gemeinsamen Momente oder Stunden sind eine kostbare Zeit.  Schon vor der Geburt können sich die Eltern mit dem Geburtshilfeteam und der Kinderärztin oder dem Kinderarzt darüber verständigen, wie bei der Sterbebegleitung nach der Geburt vorgegangen werden soll. Es ist sinnvoll, dies in den Geburtsunterlagen festzuhalten.  Damit das Kind sterben kann, ohne zu leiden, ist die wichtigste Voraussetzung, dass es Ruhe und Geborgenheit erlebt und nicht gestört oder erschreckt wird. So kann das Baby die beruhigende, liebevolle Wärme und Nähe seiner Eltern spüren. Vielleicht kann es sogar ein wenig Muttermilch trinken. Falls es nötig ist, kann die Ärztin oder der Arzt dem Kind mit Schmerzmitteln oder Atemunterstützung helfen.

Dem toten Baby begegnen

© BZgA/HN/Schüten

Wenn ihr Baby tot zur Welt gekommen ist, brauchen die Eltern vielleicht einige Zeit, bis sie sich für die Begegnung mit ihm öffnen können und es in den Arm nehmen möchten. Viele Eltern haben zuvor noch nie einen toten Menschen gesehen. Sie haben möglicherweise Angst davor, wie ihr Kind aussehen wird, und fühlen sich überfordert. Wie werden mögliche Fehlbildungen aussehen oder wie hat sich seine Haut verändert, wenn es schon einige Tage vor seiner Geburt gestorben ist? Die Geburtshelferinnen und -helfer werden sie darauf vorbereiten, stehen ihnen in diesem Moment zur Seite und werden das Kind mit ihnen gemeinsam betrachten, wenn sie dafür bereit sind. Oft erfahren die Eltern bei dieser Begegnung neben allem Kummer auch Momente von Glück. Sie können sehen, wer ihr Kind ist. Wenn sie ihm noch keinen Namen gegeben haben, tun sie es möglicherweise in diesem Moment. Vielleicht entdecken sie seine ganz eigene Schönheit und empfinden es trotz allem als Wunder und Bereicherung, dass es sich so weit entwickelt hat und dass sie seinen Weg mit ihm gegangen sind.

Stand: 06.03.2019