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Multiple Sklerose und Schwangerschaft

Hat eine Frau Multiple Sklerose (MS), spricht im Allgemeinen nichts gegen eine Schwangerschaft. Manchmal wirkt sich die Schwangerschaft sogar günstig auf den Krankheitsverlauf aus. Eine sorgfältige Planung und Rücksprache mit der Neurologin oder dem Neurologen sind aber sehr wichtig.

MS in der Schwangerschaft: Manchmal sogar günstig

© Westend61 / Uwe Umstätter

Für Frauen mit Multipler Sklerose (MS) bestehen in der Regel keine medizinischen Bedenken gegen eine Schwangerschaft. Trotzdem wirft der Kinderwunsch bei Frauen mit MS Fragen auf: Wie wird die Schwangerschaft verlaufen? Wird sie Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf haben? Was bedeutet die Krankheit für das ungeborene Kind? Und wie werde ich zurechtkommen, wenn das Baby da ist?

Beruhigend ist, dass eine Schwangerschaft nach den bisherigen Erfahrungen und Studienergebnissen eher einen günstigen Einfluss auf die Krankheit hat. Sie scheint einen vorübergehenden Schutz gegen neue Schübe zu bilden. Die meisten Schwangeren mit MS fühlen sich wohl und leistungsfähig.

Auftretende Schwangerschaftsbeschwerden unterscheiden sich kaum von denen anderer schwangerer Frauen. Viele Schwangere mit MS berichten beispielsweise von Blasenbeschwerden, die aber bei den meisten Frauen auftreten, wenn das wachsende Kind auf die Blase drückt. Hatten Frauen mit MS schon vor der Schwangerschaft Probleme mit der Kontrolle der Blase, können sich die Beschwerden jedoch verstärken.

MS-Schübe während der Schwangerschaft

Der Körper produziert in der Schwangerschaft Hormone und Antikörper, die das Immunsystem und damit den Verlauf der MS günstig beeinflussen können. Dadurch werden Krankheitsschübe unwahrscheinlicher, besonders im letzten Schwangerschaftsdrittel.

Bei etwa einem Drittel der Schwangeren mit MS kommt es dennoch zu einem Krankheitsschub, meist in den ersten Schwangerschaftsmonaten. Allgemein gilt die Faustregel: Je mehr Schübe vor der Schwangerschaft aufgetreten sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit von Schüben auch in der Schwangerschaft.

Während der Schwangerschaft gilt prinzipiell, dass der Einsatz von Medikamenten besonders sorgfältig abgewogen wird. Bei einem Schub kann es dennoch nötig sein, dass die Schwangere eine intensive Schubtherapie, zum Beispiel mit hochdosiertem Kortison, erhält. In einigen Kliniken ist es auch möglich, das Blut der Frau mit besonderen Geräten zu „waschen“ (Plasmapherese).

Risiken für Mutter und Kind durch die MS

Die Schwangerschaft einer Frau mit MS verläuft ähnlich wie die einer gesunden Frau, das Risiko für Infektionen der Mutter ist jedoch erhöht. Ein erhöhtes generelles medizinisches Risiko für das Kind besteht nicht. Muss die Schwangere wegen eines Schubs Kortison einnehmen, ist die Wahrscheinlichkeit geringfügig erhöht, dass das Kind zu früh auf die Welt kommt oder ein etwas geringes Geburtsgewicht hat. Fehlbildungen kommen aber nicht häufiger vor.

Medikamente: Ein Risiko für das Kind?

Schwangere Frauen mit MS stehen vor einem Dilemma: Oft befürchten sie, mit der MS-Therapie das ungeborene Kind zu schädigen. Setzen sie die Therapie ab, riskieren sie einen Schub während der Schwangerschaft.

Glücklicherweise sind nach heutigem Wissensstand die meisten MS-Medikamente nicht schädlich für das ungeborene Kind. Weil es aber einige Ausnahmen gibt, sollten Frauen und Männer mit Kinderwunsch sich mit ihrer Neurologin oder ihrem Neurologen besprechen. Manche Medikamente sollten Paare schon vor der Schwangerschaft absetzen oder sogar mit Hilfe anderer Medikamente aus dem Körper auswaschen. Das gilt auch, wenn der Mann an Multipler Sklerose erkrankt ist, weil sich die Medikamente vielleicht auf die Spermien auswirken. Ihre Ärztin oder Ihr Arzt wird den Nutzen des Medikaments, das Sie nehmen, sorgfältig gegen das damit verbundene Risiko abwägen und mit Ihnen gemeinsam eine Entscheidung für die Zeit der Schwangerschaft treffen.

Schwangerschaftsvorsorge bei MS

Wenn Sie schwanger sind und MS haben, ist es wichtig, dass Sie alle Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen, damit mögliche Komplikationen frühzeitig erkannt werden. Für Sicherheit sorgt auch eine enge Zusammenarbeit von Frauenärztin oder Frauenarzt und Neurologin oder Neurologen.  

Gönnen Sie es sich, kürzerzutreten. Wie für alle Schwangeren sind ein gesunder Lebensstil, eine ausgewogene Ernährung, Bewegung und ausreichende Ruhepausen wichtig. Möglicherweise ist – in Absprache mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt – auch die zusätzliche Einnahme von Folsäure und Vitamin D empfehlenswert.   

Die Geburt: Natürlich oder per Kaiserschnitt?

Bestehen keine größeren körperlichen Einschränkungen, ist eine normale vaginale Geburt grundsätzlich möglich. Multiple Sklerose allein ist in der Regel kein Grund für einen Kaiserschnitt.    

Zur Schmerzbehandlung während der Geburt können Frauen mit MS eine Periduralanästhesie (PDA) bekommen. Nach bisherigem Wissen hat das keinen Einfluss auf die Häufigkeit von Schüben nach der Geburt.  

Liegt eine Spastik oder eine Muskelschwäche der Beine vor, oder sind Sie stark erschöpft und ermüdet (Fatigue), kann es sein, dass die Geburt sehr lange dauert und die Kräfte für eine Vaginalgeburt nicht mehr ausreichen. In diesem Fall kann ein Kaiserschnitt sinnvoll sein. Viele Studien verzeichnen bei Schwangeren mit MS eine erhöhte Kaiserschnittrate. Die Frage, wie die Geburtsklinik Ihrer Wahl mit Kaiserschnitten umgeht, können Sie vor der Geburt ansprechen und so weit wie möglich abklären.  

Stillen als Schubprophylaxe?

Stillen ist für Säuglinge in vieler Hinsicht optimal. Erfahrungen und Studien zeigen zudem, dass ausschließliches Stillen Mütter mit MS sogar vor Krankheitsschüben nach der Geburt schützen kann. Entscheidet sich eine Frau fürs Stillen, bedeutet das aber, dass sie in dieser Zeit keine Medikamente gegen die MS einnehmen darf.

Die meisten Medikamente gegen MS sind für stillende Frauen nicht geeignet, weil die Wirkstoffe über die Muttermilch auf das Baby übergehen.

Der Schutz durch das Stillen reicht zudem nicht bei jeder Frau aus, um Schübe zu verhindern. Das gilt vor allem für sehr aktive Krankheitsverläufe. Deshalb sollten Frauen mit MS mit der behandelnden Neurologin oder dem behandelnden Neurologen besprechen, was für sie am besten ist.

Beachten müssen Sie bei Ihrer Stillentscheidung außerdem, dass Stillen eine zusätzliche Belastung für den Körper bedeutet. Die Ernährung mit der Flasche ist unter Umständen weniger anstrengend und kräftezehrend – zumal diese auch von anderen übernommen werden kann. Die Vor- und Nachteile des Stillens sollten Sie daher sorgfältig abwägen.

Verzichtet eine Frau auf das Stillen, ist ein rascher Neubeginn mit der medikamentösen MS-Therapie nach der Geburt empfehlenswert.

Die erste Zeit mit dem Baby

Die hormonelle Umstellung nach der Geburt kann zu MS-Schüben führen. Dies scheint unabhängig davon zu sein, ob das Kind per Kaiserschnitt oder vaginal geboren wurde. In den ersten drei Monaten nach der Geburt haben etwa 30 Prozent der Frauen einen Schub, 70 Prozent nicht. Meist pendelt sich der Krankheitsstatus bald wieder auf dem Niveau vor der Schwangerschaft ein.  

Keine Frage: Die ersten Wochen nach der Geburt eines Kindes sind bei aller Freude sehr anstrengend – ob mit oder ohne MS. Die körperliche Umstellung und die Rundum-Versorgung des Babys erfordern viel Kraft. Durch Ihre Erkrankung sind Sie möglicherweise zusätzlich belastet. Für viele Eltern ist es hilfreich, sich vor und nach der Geburt Netzwerke zu schaffen, etwa über Geburtsvorbereitungskurse, Eltern-Kind-Gruppen, Baby-Schwimmen und Ähnliches.  

Je nach Ihrer persönlichen Situation kommen möglicherweise auch Familienhilfe, eine über die Krankenkasse finanzierte Haushaltshilfe oder andere spezielle Hilfen für behinderte und chronisch kranke Eltern für Sie in Betracht.   

Unerfüllter Kinderwunsch

Auch bei Frauen mit MS erfüllt sich der Kinderwunsch nicht immer. Allerdings ist nicht völlig auszuschließen, dass eine Kinderwunschbehandlung das Risiko für Schübe erhöht. Entscheiden sich Paare dafür, sollten sie sich zuvor ausführlich von ihrer Neurologin oder ihrem Neurologen beraten lassen.

Stand: 13.10.2023