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Die Schattenseiten einer Kinderwunsch-Behandlung

Fruchtbarkeits-Behandlungen können vielen Paaren zum ersehnten eigenen Kind verhelfen. Sie haben jedoch Risiken und belasten Körper und Seele. Paare sollten sich deshalb vor einer Therapie auch mit möglichen Schattenseiten auseinandersetzen.

Fruchtbarkeits-Behandlungen greifen zum Teil sehr stark in den weiblichen Körper ein. Dabei können unangenehme Nebenwirkungen bis hin zu ernsthaften Komplikationen auftreten. Vor allem die Behandlung mit Hormonpräparaten zur Stimulierung der Eizellreifung sowie die verschiedenen Eingriffe zur Diagnostik und Therapie sind nicht ohne Risiko.

Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, über die gesundheitlichen Risiken der Behandlungsmethoden und der verschiedenen Behandlungsschritte aufzuklären. Wer die ärztliche Aufklärung nicht ganz verstanden hat, sollte nachfragen. Auch wenn der Wunsch nach einem eigenen Kind sehr stark ist, ist es wichtig, die eigene Gesundheit im Blick zu behalten und auch der Seele nicht zu viel zuzumuten.

Gefahr der Überstimulation

Die hormonelle Stimulation der Frau wird sorgfältig überwacht, weil ihr Körper „überreagieren“ kann. Beim sogenannten Überstimulationssyndrom produzieren die Eierstöcke sehr viele und sehr große Eibläschen. In dieser Situation dürfen Paare keinen Geschlechtsverkehr haben, denn bei einer erfolgreichen Befruchtung könnte sich eine Mehrlingsschwangerschaft entwickeln. Schwangerschaftskomplikationen und Probleme für die Kinder wie für die Schwangere wären die Folge.

Bei einer schweren Überstimulation vergrößern sich die Eierstöcke zudem stark und die Eibläschen produzieren zu viele Hormone. Der betroffenen Frau kann übel werden, sie kann Schmerzen haben und es kann sich Flüssigkeit im Bauch ansammeln. Auch Atemnot und Störungen der Blutgerinnung sind möglich. Ist die Überstimulation sehr stark, muss sich die Frau in einer Klinik behandeln lassen, denn in extrem seltenen Fällen kann ein Überstimulationssyndrom lebensgefährlich werden.

Risiken durch Eingriffe

Sehr selten können auch die operativen Eingriffe, die für die reproduktionsmedizinische Diagnostik und Therapie notwendig sind, Komplikationen nach sich ziehen. Bei der Eizell-Entnahme besteht das Risiko einer bakteriellen Infektion der Eierstöcke. Durch die Punktion können die Blase, der Darm und die großen Blutgefäße im Becken verletzt werden. Wird die Punktion unter Vollnarkose durchgeführt, gibt es die üblichen Narkoserisiken. Auch bei Eingriffen zur Gewinnung von Samenzellen aus den Hoden oder Nebenhoden besteht Verletzungsgefahr.

Nach dem Jahresbericht des Deutschen IVF-Registers 2010 kommt es bei etwa 0,7 Prozent der Punktionen zu Komplikationen und bei weniger als einem halben Prozent der Stimulationen zu einem schweren Überstimulationssyndrom, das in der Klinik behandelt werden muss.

Belastungen während der Therapie

© BZgA/HN/Eichhöfer

Eine Kinderwunsch-Behandlung kann die Frau, den Mann und ihre Beziehung zueinander ernsthaft belasten. Untersuchungen, Nebenwirkungen der Medikamente und Eingriffe können strapaziös sein. Zudem muss das Paar in dieser Zeit einen großen Teil seines Lebens auf die Therapie abstimmen – manchmal sogar über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Die Termine für Kontrolluntersuchungen und Behandlungen sind häufig schwer mit beruflichen Verpflichtungen vereinbar. Dies gilt vor allem, wenn das Paar die Behandlung vor dem Arbeitgeber und/oder den Kolleginnen und Kollegen geheim halten möchte. Die finanzielle Belastung kann ebenfalls groß sein.

Auch die Partnerschaft kann unter den aufwendigen medizinischen Therapien leiden. Das passiert besonders dann, wenn der Durchhaltewille der Partner unterschiedlich ausgeprägt ist. In diesem Fall ist es entscheidend, die Wünsche des anderen zu respektieren, aber auch seine eigenen Bedürfnisse und Befürchtungen ernst zu nehmen. Vorschnell Kompromisse zu machen, ist bei einer so eingreifenden Therapie wie der Fruchtbarkeits-Behandlung nicht ratsam.

Nicht zuletzt kann Sex nach Plan zu Lustlosigkeit bis hin zu sexuellen Störungen führen. Aus vielen Untersuchungen ist inzwischen bekannt, dass es bei der Mehrzahl der Paare zu irgendeinem Zeitpunkt der Fruchtbarkeits-Behandlung zu Problemen in der Sexualität kommt. Bei Männern sind dies vor allem Erektionsstörungen und vorzeitiger Samenerguss, bei Frauen Lustlosigkeit. In der Regel normalisiert sich das Sexualleben mit der Zeit aber von selbst wieder.

Fahrplan mit Plan B

Es ist ratsam, vor jeder neuen Therapiephase gemeinsam zu entscheiden, ob man die Behandlung fortsetzen möchte, ob eine Pause nötig ist oder die Behandlung beendet werden soll. Dazu kann es hilfreich sein, „Fahrpläne“ zu erstellen, die, ausgehend vom Ergebnis eines Behandlungszyklus (keine Schwangerschaft, Fehlgeburt, Schwangerschaft), den zeitlichen Rahmen für den eventuell notwendigen oder gewünschten nächsten Behandlungszyklus festlegen. Wichtig ist, dass beide Partner den Zeitrahmen in Übereinstimmung planen.

Es empfiehlt sich auch, schon zu Beginn einer Fruchtbarkeits-Behandlung gemeinsam einen „Plan B“ zu entwickeln. Dieser kann zum Beispiel das Bemühen um eine Adoption beinhalten oder die Orientierung auf neue Lebensziele. Falls die Behandlungsversuche trotz großer zeitlicher, emotionaler und finanzieller Investitionen erfolglos bleiben sollten, kann es leichter fallen, sich vom Wunsch nach einem leiblichen Kind zu verabschieden und „Plan B“ anzunehmen. 

Achterbahn der Gefühle

Die Wartezeit nach der Eizell-Entnahme und nach dem Embryotransfer bei IVF erfordert viel Geduld. Insbesondere nach dem Embryotransfer vergehen rund zwei Wochen voll innerer Anspannung, bis die Ärztin oder der Arzt feststellen kann, ob eine Schwangerschaft eingetreten ist. Auch dann ist es keineswegs sicher, dass sich die Schwangerschaft weiterentwickeln wird. Stellt sich trotz erfolgreicher Befruchtung doch wieder die Monatsblutung ein, führt dies meist zu Enttäuschung und Niedergeschlagenheit. Viele Paare erleben diese „Achterbahn der Gefühle“, die Frauen meistens intensiver als die Männer.

Beide Partner müssen nach einem fehlgeschlagenen Versuch erst wieder Kraft für einen neuen Behandlungszyklus sammeln. Die Gefühlsschwankungen während der Behandlung können sehr heftig sein. Viele Paare erleben den unerfüllten Kinderwunsch als existenzielle Lebenskrise und die Behandlung als nervenaufreibend. Daher ist es wichtig, andere „Baustellen“ in der Zeit der Fruchtbarkeits-Behandlung nach Möglichkeit ruhen zu lassen und sich bewusst viele Momente der Erholung zu gönnen.

Eine psychologische Begleitung in dieser Zeit kann stärken und unterstützen. So bieten beispielsweise die anerkannten Schwangerschaftsberatungsstellen auch Beratung und Unterstützung für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch an. Darüber hinaus kann der persönliche Austausch mit anderen Betroffenen im Rahmen einer Selbsthilfegruppe hilfreich sein. Besonders spezialisiert auf die psychosoziale Beratung bei unerfülltem Kinderwunsch sind die Beraterinnen und Berater der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung (BKiD e.V.).

Stand: 21.08.2012