Fragen rund um die Schwangerschaft?
Beratungsstelle in Ihrer Nähe finden ...

Schwangerschaft und Querschnittslähmung

Wenn eine querschnittsgelähmte Frau ein Kind bekommt, ist es wichtig, dass sie sich von einer Hebamme sowie Ärztinnen und Ärzten mit entsprechendem Fachwissen begleiten lässt.

Erfahrungen anderer Eltern

© BZgA/HN/Eichhoefer

Frauen mit einer Para- oder Tetraplegie können eine normal verlaufende Schwangerschaft erleben und ihr Kind auch auf natürlichem Weg zur Welt bringen. Je nachdem, ab welcher Höhe die Lähmung besteht, gibt es jedoch verschiedene Besonderheiten, die eine gute medizinische Begleitung nötig machen. Oft entsteht mit dem wachsenden Bauch auch ein erhöhter Unterstützungsbedarf.

Umso hilfreicher ist es oft, mit anderen Eltern mit Querschnittslähmung über ihre Erfahrungen in der Schwangerschaft und Säuglingszeit zu reden:

  • In welcher gynäkologischen Praxis haben sie sich gut aufgehoben gefühlt?
  • Welche Hebamme konnte mit der Querschnittslähmung gut umgehen?
  • Welche Absprachen mit dem Kreißsaal-Team der Geburtsklinik waren hilfreich?
  • Welche Hilfsmittel erleichtern die Säuglingspflege?

Es gibt nicht viele schwangere Frauen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Vielleicht finden Sie über eines der Behandlungszentren, den Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. (BSK) oder den Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern e.V. (bbe) Kontakt zu anderen Frauen und Paaren in einer vergleichbaren Situation.

Die Schwangerschaft planen

Wenn Sie und Ihr Partner eine Schwangerschaft planen, sollten medizinisch notwendige Untersuchungen möglichst schon im Vorfeld gemacht werden. Dazu kann zum Beispiel eine Röntgenuntersuchung der Beckenorgane gehören, die in der Schwangerschaft das ungeborene Kind gefährden würde. Traten bislang häufiger Scheiden- und Harnwegsinfekte auf, ist eine umfassende urologische Untersuchung wichtig. Auch ein Lungenfunktionstest kann sinnvoll sein, denn das wachsende Baby wird im Bauch viel Platz beanspruchen und nicht nur auf die Harnwege drücken, sondern vielleicht auch das Atmen erschweren. Ebenso wird allen Schwangeren ein Zahnarztbesuch empfohlen.

Weil eine Schwangerschaft das Risiko von Thrombosen zusätzlich erhöht, sollte der Gerinnungsstatus des Blutes ärztlich geklärt werden. Möglicherweise ist ein Medikament zur Gerinnungshemmung (Antikoagulation) notwendig, und das muss für die Schwangerschaft zugelassen sein.

Sind Sie Raucherin, ist spätestens jetzt der Zeitpunkt, mit dem Rauchen aufzuhören. Dies ist auch für die gesunde Entwicklung des Kindes sehr wichtig.

Medikamente

Haben Sie bisher regelmäßig Medikamente eingenommen, ist es zum Schutz des ungeborenen Kindes wichtig, mit der Ärztin oder dem Arzt zu klären, ob die Mittel abgesetzt, in ihrer Dosis reduziert oder durch andere ersetzt werden können. Das gilt besonders für Mittel gegen Harnwegsinfekte (Antibiotika), gegen Inkontinenz (Anticholinergika), gegen eine überaktive Blase (trizyklische Antidepressiva) sowie Antispastika, Abführmittel oder blutdrucksenkende Mittel. Fachliche Auskünfte gibt hierzu das unabhängige Informationsportal Embrytox.

Eine Hebamme suchen

Es ist gut, sich frühzeitig in der Schwangerschaft Menschen zu suchen, die nicht nur Fachwissen haben, sondern sich auch genügend Zeit für Sie nehmen. Das ist neben der Frauenärztin oder dem Frauenarzt vor allem eine Hebamme, die Sie während der Schwangerschaft betreuen kann. Am besten suchen Sie sich eine sogenannte Beleghebamme.

Beleghebammen arbeiten zwar freiberuflich, haben aber mit einem bestimmten Krankenhaus vereinbart, dass sie den Kreißsaal dort benutzen können. Der Vorteil ist, dass die Schwangere nicht nur von Anfang an ein Vertrauensverhältnis zur Hebamme aufbauen kann, sondern auch bei der Geburt von ihr begleitet wird. Anders als im üblichen Kreißsaal-Betrieb ist sie nur für „ihre“ Schwangere da und kann auch nach der Geburt die Wochenbett-Betreuung (Nachsorge) übernehmen. Allerdings gibt es nicht in jeder Stadt und Gemeinde genügend Beleghebammen. Deshalb ist es ratsam, sich sehr frühzeitig in der Schwangerschaft darum zu kümmern.

Bewegung tut gut

Eine Schwangerschaft ist für jede Frau eine körperliche Herausforderung. Muskulatur, Bänder, Sehnen und auch das Bindegewebe werden in dieser Zeit enorm beansprucht. Von Anfang an mehrmals in der Woche Krankengymnastik zu machen, hilft, den Körper zu stabilisieren. Sollten Sie schon vor der Schwangerschaft sportlich aktiv gewesen sein, können Sie Ihren Sport in Maßen weiter betreiben, sofern es sich nicht um eine verletzungsträchtige Sportart handelt. Es ist gut, wenn Sie Ihre Kondition soweit es geht erhalten.

Wichtig ist auch, einer Thrombose und einer vermehrten Ödembildung in den Beinen vorzubeugen. Lagern Sie häufiger als sonst die Beine hoch und ruhen Sie sich bei Bedarf aus. Zusätzlich sollten Sie Ihre Beine regelmäßig bewegen, etwa mit einem motorbetriebenen Bewegungstrainer. Für die letzten drei Monate vor der Geburt können Kompressionsstrümpfe ratsam sein. Um aufsteigende Infektionen zu vermeiden, ist während der gesamten Schwangerschaft (vor allem zu Beginn und am Ende) eine sorgfältige Blasen- und Darmentleerung wichtig.

Mit dem wachsenden Baby im Bauch wird es zunehmend wichtig, Druckgeschwüre zu vermeiden und auszuprobieren, wie und wie oft der Körper im Sitzen und Liegen umgelagert werden kann.

Kontakt mit dem geburtshilflichen Team

Ab Mitte der Schwangerschaft, also etwa ab der 22. Woche, wird empfohlen, mit allen beteiligten Ärztinnen, Ärzten, der Hebamme und dem Kreißsaal-Team des Krankenhauses abzustimmen, was bis zur Geburt für das Wohlergehen von Mutter und Kind getan werden kann.

Besprechen Sie mit den Hebammen, Ärztinnen und Ärzten der Geburtsklinik die Abläufe im Kreißsaal und auf der Wochenstation. Ideal ist es, wenn das Team bereits Erfahrung mit querschnittsgelähmten Schwangeren hat. Wichtig sind außerdem barrierefreie Toiletten und ein unterfahrbarer Wickeltisch.

Mit der zuständigen Anästhesistin oder dem Anästhesisten sollte je nach Einschränkung und Schwangerschaftsverlauf besprochen werden, wie die Schmerzbehandlung für einen eventuell notwendigen Kaiserschnitt durchgeführt werden kann.

Da Frühgeburten bei Schwangeren mit einer Para- oder Tetraplegie vergleichsweise häufig vorkommen (zwei bis drei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin gelten als normal), können ab der 25. Schwangerschaftswoche engmaschigere gynäkologische und eventuell auch urologische Untersuchungen erforderlich sein.

Wehen spüren

Im letzten Drittel der Schwangerschaft kann die Hebamme Sie unter Umständen in der sogenannten Selbstpalpation (Betasten) des Bauchs anleiten. Dabei lernen Sie, mit den Händen auf der nackten Bauchdecke zu spüren, wie sich Wehen anfühlen, also ob und wie sich die vor allem hormonell gesteuerte Gebärmutter-Muskulatur unter der Bauchhaut zusammenzieht. Andere Anzeichen von Wehen können etwa ein Wärmegefühl sein, Druck der Blase, Kopfschmerzen, Schwitzen oder eine Spastik.

Ein Anhaltspunkt dafür, ob und wie Sie Wehen spüren werden – etwa als ein Ziehen ohne Schmerz – ist, ob und wie Sie Ihre Monatsregel spüren. Am besten finden Sie mit Ihrer Hebamme heraus, wie Sie sich auf die Wehen vorbereiten können.

Den Partner hier einzubeziehen, kann nicht nur hilfreich, sondern auch schön sein.

Die autonome Hyperreflexie

Querschnittsgelähmte Schwangere müssen besonders auf die Anzeichen einer gefährlichen autonomen Hyperreflexie achten, vor allem, wenn die Lähmung oberhalb T5/T6 besteht. Bei der autonomen Hyperreflexie (auch autonome Dysreflexie oder Guttmann-Reflex genannt) kommt es zu einem plötzlichen Blutdruck-Anstieg bei verlangsamtem Herzschlag mit pochenden Kopfschmerzen, erweiterten Pupillen und Gänsehaut. Auslöser können eine volle Blase, Harnwegsinfekte und auch (unbemerkte) vorzeitige Wehen sein.

Zur Vorbeugung sollten regelmäßig und sorgfältig Blase und Darm entleert werden. Beim Selbstkatheterisieren können nach Absprache mit der Urologin oder dem Urologen betäubende Gleitmittel verwendet werden. Besteht wegen der Lähmungshöhe oder der medizinischen Vorgeschichte ein erhöhtes Risiko für eine autonome Hyperreflexie, kann es gut sein, sich drei bis vier Wochen vor dem errechneten Geburtstermin in die Geburtsklinik aufnehmen zu lassen.

Vorbereitung und Hilfsmittel

Geburtsvorbereitungskurse für Frauen mit Beeinträchtigungen werden bisher leider kaum angeboten, aber es kann sich lohnen, in Behinderten-Netzwerken oder einer Schwangerschaftsberatungsstelle vor Ort nachzufragen.

Wenn möglich, entscheiden Sie sich am besten schon vor der Geburt für eine Kinderärztin oder einen Kinderarzt und machen dort einen ersten Besuch. Wichtig ist, dass die Praxis barrierefrei ist, denn in den ersten Lebensmonaten eines Kindes fallen Arztbesuche recht häufig an. Manche Kinderärztinnen und -ärzte bieten auch Hausbesuche an, was besonders in der ersten Zeit mit dem Säugling hilfreich sein kann.

Gut ist auf alle Fälle, sich rechtzeitig eine erfahrene Hebamme zu suchen, die Sie und Ihr Kind im Wochenbett betreut.

Möchten Sie bis zur Geburt zu Hause bleiben, ist es empfehlenswert, eine Liste mit den wichtigsten Telefonnummern anzulegen. Beispielsweise für den Rettungsdienst 112, die Nummern der Hebamme, der Geburtsklinik, der Gynäkologin oder des Gynäkologen, von Freunden, Verwandten oder Nachbarn, die informiert sind und bei Bedarf helfen können. Diese Liste sollte in der Wohnung gut sichtbar ausliegen oder aufgehängt werden.

Schon während der Schwangerschaft, spätestens aber nach der Geburt werden meist zusätzliche Hilfsmittel nötig. Hilfreich sind zum Beispiel ein breiterer Rollstuhl, Kissen zur Vermeidung von Druckgeschwüren, ein Rutschbrett zum leichteren Transfer, elektrische Zubettgeh- und Aufstehhilfen, Stillkissen und andere Lagerungshilfen, ein Wickeltisch und ein Kinderbett, die unterfahrbar sind, etc.

Die Finanzierung von Hilfsmitteln im Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Babypflege ist wegen unterschiedlicher Zuständigkeiten oft kompliziert. Am besten überlegen Sie zusammen mit Ihrer Hebamme, was Sie brauchen. Eine Übersicht gibt auch der Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern e.V. (bbe) auf seiner Website. Der Verein bietet außerdem eine Online-Beratung auch bei der Beantragung von Hilfsmitteln an.

Die Geburt

Haben Sie mit dem Ertasten Ihres Bauchs oder in anderer Weise ein Gefühl für Ihre Wehen entwickelt, werden Sie spüren, dass die Wehen irgendwann regelmäßig und in immer kürzeren Abständen anrollen. Dann beginnt die Geburt.

Weil die Funktionen der Gebärmutter vor allem hormonell gesteuert werden, kann eine querschnittsgelähmte Frau auch ohne die Möglichkeit, selbst aktiv zu pressen, grundsätzlich natürlich gebären. Das Pressen übernimmt die Gebärmutter, oder das Geburtshilfeteam gibt Hilfestellung mit dem sogenannten Kristeller-Handgriff. Es können auch Hilfsmittel wie eine Saugglocke oder eine Geburtszange zum Einsatz kommen.

Wichtig sind frühe Absprachen mit dem geburtshilflichen Team über möglicherweise einzusetzende Medikamente und das Vorgehen, falls ein Dammschnitt oder andere geburtshilfliche Eingriffe nötig sind. Die Überwachung des Kindes während der Geburt unterscheidet sich nicht von anderen Geburten. Auch die Gründe für einen vielleicht notwendigen Kaiserschnitt sind die gleichen wie bei nicht querschnittsgelähmten Frauen.

Gibt es orthopädische Einschränkungen (etwa Versteifungen), starke Spastiken oder andere Besonderheiten, kann schon im Vorfeld der Geburt ein Kaiserschnitt erwogen werden. Am besten wartet man dann mit engmaschigen Kontrollen den Zeitpunkt ab, an dem die Wehen einsetzen, weil das Kind dann bereit für die Geburt ist.

Die erste Zeit mit dem Baby

Schon sehr bald nach der Geburt können Sie Ihr Kind zum ersten Mal stillen. Bei manchen Müttern ist der Reflex zum Milcheinschuss abgeschwächt, meist klappt das Stillen aber gut.

Kommen Mutter und Kind nach Hause, brauchen sie ausreichend Zeit, um sich zu erholen und einander kennenzulernen. Das Wochenbett ist auch die Zeit, in der Eltern und Kind in den neuen gemeinsamen Alltag hineinwachsen.

Die Hebamme kann helfen, wenn es Probleme beim Stillen oder der Babypflege gibt. Sie versorgt mögliche Wunden, achtet auf eine behutsame Katheterisierung und unterstützt alle körperlichen Rückbildungsprozesse der nächsten Wochen. Gemeinsam mit den ergo- oder physiotherapeutischen Fachkräften sowie den Ärztinnen und Ärzten sollte die Hebamme Teil des Teams sein, das Sie in der nächsten Zeit betreut.

Ob und wann Sie welche Medikamente (wieder) einnehmen können, muss weiterhin sorgfältig abgeklärt werden, weil viele Wirkstoffe in die Muttermilch übergehen und schädlich für das Baby sein können.

Vielleicht zeigt sich auch jetzt erst, welche Hilfen Sie brauchen, um Ihren neuen Familienalltag möglichst selbstständig bewältigen zu können. Vielleicht wird auch eine persönliche Assistenz sinnvoll, damit Sie sich um Ihr Baby kümmern können. Gut ist es in jedem Fall, sich mit der Zeit ein Netz aus Menschen aufzubauen, die Ihnen die Unterstützung geben können, die Sie brauchen.

Stand: 26.08.2019